Wir haben zwei Apfelbäume als Spalierobst im Garten. Jedes Jahr kommen mit den ersten Blüten die Blattläuse und mit den Blattläusen dann auch die Ameisen. Denn die Ameisen werden vom Honigtau der Blattläuse angezogen. In den letzten Jahren sahen die Bäume durch den Läusebefall gar nicht gut aus. Also habe ich mir einen klebrigen grünen Leim gekauft, um die Stämme damit zu bestreichen. Das blockiert für die Ameisen den Weg. Nun gibt es zwischen beiden Apfelbäumchen noch eine kleinere Pflanze. Zur Sicherheit habe ich die auch mit Leim bestrichen.
Als die Apfelblüte überreich war, war ich glücklich. 2 Wochen später fiel mein Blick auf den Draht, der das Spalierobst stützt und führt und was sah ich: eine Reihe von Ameisen, die munter auf dem Draht hin und her spazieren. "Das darf doch nicht wahr sein", dachte ich und machte mich auf die Suche nach dem Weg, den die Ameisen nehmen. Und tatsächlich - am dünnen Stamm der kleineren Pflanze gab es eine Stelle ohne Leim.
Darauf muss man erst mal kommen als Ameise: ich will zu den Blüten der Apfelbäume und dort zu den Blattläusen und wenn der direkte Weg nicht geht, suche ich so lange an anderen Stellen, bis ich einen Zugang gefunden habe. Wie groß ist das Gehirn einer Ameise nochmal?
Irgendwie schaffen die Ameisen, womit wir uns als Menschen oft schwer tun. Allzu oft kleben wir an eingefahrenen Verhaltensweisen. "Das muss doch gehen!", denke ich, obwohl ich erlebe, dass es nicht geht, so zumindest nicht. Ein Paar verstrickt sich immer wieder in Streitigkeiten, obwohl beiden klar ist, dass diese Art zu reden zu nichts führt als nur zu Frust. Eine Mutter setzt sich jeden Nachmittag zu ihrer 14-jährigen Tochter und versucht, sie bei den Hausaufgaben zu unterstützen. Nach spätestens 10 Minuten sind beide genervt und giften sich an. Und doch spricht das Paar immer wieder auf genau dieselbe Weise miteinander und die Mutter setzt sich jeden Tag aufs Neue zu Ihrer Tochter an den Schreibtisch. Sackgassen!
Eine Ameise würde spätestens nach dem 3 Versuch anfangen, nach einem anderen Weg zu suchen. Und seien sie gewiss: wenn es irgendeinen Weg gibt - sie findet ihn. Ich habe die Ameisen nicht gefragt und auch keinen Ameisenforscher - aber ich vermute mal stark, dass die Ameisen auch irgendwie miteinander kommunizieren, um diesen Weg zu den Blattläusen zu finden.
Therapie und Beratung kann ein Weg sein, mit etwas mehr Abstand auf ein Problem zu schauen und neue Wege zu finden. Wenn man selbst mit der Nase am Problem klebt, kann man nichts sehen.
Am besten nutzt man dabei alles, was man ohnehin dabei hat: seinen Kopf zum Nachdenken, sein Herz zum Fühlen und seinen Körper, der einem wertvolle Hinweise gibt, wenn man ihn nur auf die richtige Weise fragt und lernt, ihn zu verstehen.
Und man kann den Austausch mit andern nutzen so wie es die Ameisen tun. Eine sehr schöne Methode aus dem Coaching ist der Ideenkorb, den die Schweizer Psychologin Maja Storch im Rahmen ihres Züricher Ressourcenmodells entwickelt hat.
Dabei wird im Coaching für ein Problem eine bestimmte Frage entwickelt, zum Beispiel: "Ich möchte auf diese Familienfeier gehen, auf die ich überhaupt keine Lust habe, aber es ist mir andererseits wichtig, dorthin zu gehen. Wie kann ich dort gut für mich sorgen?" Und dann gehen ich mit dieser Frage zu Leuten, die ich kenne, und lasse mir Lösungsideen in den Ideenkorb legen. Am besten funktioniert die Methode bei Leuten, die mir nicht zu nahe stehen; denn Leute, die mir vertraut sind, kleben auch meist zu nah am Problem.
Mit dem Ideenkorb komme ich dann in die nächste Coaching-Sitzung und prüfe, welche dieser vielen eingesammelten Ideen mir am besten gefallen.
Das läuft ganz nach dem Ameisenprinzip: ich suche so lange, bis ich den passenden Weg gefunden habe. Am Ende wartet bei den Ameisen Honigtau und bei uns Glücksgefühle und gute neue Erfahrungen.
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